Wenn wir davon ausgehen, dass unsere Ohren und Stimme organisch gesund sind, dann hat jeder Mensch die Fähigkeit zu singen in sich.
Wie kommt es dann, dass ich das Gefühl habe, nicht singen zu können?
Meistens wurde diese Behauptung von außen an diese Menschen herangetragen: „Hör auf zu singen, du singst total falsch!“ und andere Urteile über unsere Stimme, immer wieder gehört, lassen uns glauben, dass das wohl stimmt. Meistens wird der Grundstein schon früh gelegt. Es wird als „natürlich“ erlebt wird, dass dem Kind in der Sprachentwicklung „Fehler“ unterlaufen, weil sie noch nicht alle Laute gleich gut bilden können. Keiner sagt dem Kind: „Hör auf zu sprechen, du sprichst total falsch!“ Nein, eher wird das Falsche von den Erwachsenen kopiert, weil es „niedlich“ ist. Manche denken, dass sie mit den Kindern in der Babysprache sprechen müssten, damit die Kinder sie verstehen - ein Phänomen, was sich auch in der Haltung gegenüber Ausländern zeigt. Wir wissen aus Erfahrung, dass es Zeit braucht, bis wir die Sprache „richtig“ sprechen können und das Lernen am schnellsten geht, wenn wir es immer wieder richtig vormachen.
Genauso ist es beim Singen. Es Bedarf der Übung, den Klang, den wir hören, mit unserer Stimme korrekt wiederzugeben. Dieser Raum und die Zeit, das zu trainieren, wurde den Menschen, die jetzt im festen Glauben, nicht singen zu können, leben, nicht zugestanden.
Wenn du ehrlich dazu bereit bist, dann wirst du es lernen können. Könntest du z.B. jetzt noch eine Fremdsprache lernen? Du weißt, dass das Interesse und vor allem der Einsatz den Erfolg bestimmen. Da ist das Singenlernen in einer Hinsicht leichter: du musst nicht so viele „Vokabeln“ lernen! Der Tonumfang ist sehr überschaubar! Aber du musst bereit sein, dich auf dich einzulassen, denn du bist das Medium.
Unser Leben wird von akustischen Reizen bestimmt. Es gibt welche, die uns gut tun, beglücken, beleben und andere, die wir als störende Geräusche erleben. Manche Geräusche können uns derartig auf die Nerven gehen, dass unser Körper spontan reagiert. Man denke an das Quietschen der Kreide auf der Tafel, den Bohrer beim Zahnarzt, die Fingernägel, die über das Garagentor ziehen, usw. Uns sträuben sich die Härchen, alles zieht sich zusammen, wir halten uns die Ohren zu. Mit diesen Schwingungen sind wir nicht resonant, sie passen überhaupt nicht zu unserer eigenen Körperschwingung, die sich in unserer Bewegung und Stimme äußert. So empfinden wir auch manche Stimmen als angenehm beruhigend, andere haben eine Qualität, die uns das Zuhören anstrengend macht.
In Kontakt mit deiner Singstimme zu kommen, erfordert Zeit und Ruhe. Daher empfehle ich zum Anfang Einzelstunden. Es ist wichtig für deine Entwicklung, dass du Meinungen und Urteile über Deine Stimme keinen Raum gibst. Die Bereitschaft, zu erforschen, wie sich deine Stimme entfalten möchte, sollte dir wichtig sein. Die Stimmentfaltung braucht den Atem als Energieträger, den Stimmapparat als Klanggeber und den Körper als Resonanzraum. Wie diese zusammen wirken, das soll in diesem Training geübt werden. Wenn auf dem Weg Störungen auftreten, lohnt es sich, diese anzuschauen, um die Hindernisse aufzulösen.
Wenn du den Kontakt und das Vertrauen in deine Singstimme gefunden hast, kannst du in Singgruppen wechseln. Dort hast du die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten zu musizieren. Die Klang verstärkende Unterstützung durch die Gruppe wird deine Freude am Singen wachsen lassen.